Uranaktien: Minen, Explorer, Produzenten, Anwender

05.05.2023
Die Ukraine hat mit dem kanadischen Bergbauunternehmen Cameco Corp. ein 12-Jahres-Abkommen über den Kauf von Uran geschlossen, das ausreicht, um alle ukrainischen Atomreaktoren zu versorgen. Beide Seiten haben das Recht, die Verkaufsmengen mit einer Frist von zwei Jahren zu ändern, teilte der staatliche ukrainische Energieversorger Energoatom gegenüber Reuters mit.

Die ungewöhnliche Flexibilität des im Februar angekündigten Deals, über dessen Einzelheiten bisher nicht berichtet wurde, spiegelt die Unsicherheiten wider, die durch den Krieg Russlands mit seinem Nachbarn verursacht werden, und unterstreicht, wie viel für beide Parteien auf dem Spiel steht.

Für Cameco sind die Risiken finanzieller Natur. Für die Ukraine bedeutet die Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter, dass sie nur wenige Alternativen hat, um die Energieversorgung aufrechtzuerhalten.

"Der Vertrag bietet viel Flexibilität", sagte Energoatom-Chef Petro Kotin in einem Interview mit Reuters. "Die Vereinbarung gilt bis 2035, aber zwei Jahre vor der Lieferung des Urans müssen wir ihnen einen Hinweis darauf geben, was wir brauchen werden, welche Menge an Uran wir benötigen werden.

Vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar letzten Jahres hat die Ukraine ihre Atomreaktoren mit russischem Brennstoff betrieben und damit 55% des Stroms des Landes produziert.

Seitdem hat die Ukraine die russischen Brennstoffkäufe eingestellt und sich an westliche Unternehmen wie Cameco gewandt.

Letztes Jahr hat Cameco die größte hochgradige Uranmine der Welt im Norden von Saskatchewan wieder in Betrieb genommen, als sich die mehr als zehn Jahre andauernde Flaute in der Branche abschwächte, zum Teil wegen des Ukraine-Kriegs und zum Teil wegen der weltweiten Bemühungen um eine Reduzierung der Kohlenstoffemissionen.

Während das Unternehmen die Produktion für den Ukraine-Vertrag, seinen bisher größten, hochfährt, setzt es auch darauf, mehr Aufträge von osteuropäischen Ländern zu erhalten, die versuchen, ihre Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern.

Die Aktie von Cameco, dem viertgrößten Uranproduzenten der Welt, ist seit dem 31. Januar 2022 um mehr als 50% gestiegen, als die Erwartung, dass Russland, ein großer Uranproduzent, eine groß angelegte Invasion starten würde, zu einer ausgedehnten Rallye führte.

DEAL IM WERT VON $4 MILLIARDEN

Im Rahmen des Abkommens mit Energoatom, das bei den derzeitigen Preisen mindestens 4 Milliarden Dollar wert ist, wird Cameco die Ukraine von 2024 bis 2035 mit Uranhexafluorid (UF6) beliefern, so dass das Land seine Abhängigkeit von russischem Brennstoff beenden kann.

Der Vertrag sieht die Versorgung von neun Reaktoren unter ukrainischer Kontrolle vor, mit einer Option auf die Versorgung von sechs eroberten Reaktoren in der südöstlichen Region Saporischschja, falls die Ukraine diese zurückerobert.

Wie Energoatom kann auch Cameco seine Uranlieferungen mit einer Vorankündigung von zwei Jahren anpassen, sagte Kotin.

Ein Sprecher von Energoatom sagte, es gäbe keine Beschränkungen dafür, wie stark beide Seiten ihre Lieferungen anpassen können.

Das zweijährige Zeitfenster, in dem die Mengen unbegrenzt angepasst werden können, bietet eine Flexibilität, die weit über die normalen Uranvertragsanpassungen von 5%-15% pro Jahr hinausgeht, sagte Nick Carter, Executive Vice President von UxC LLC, einem unabhängigen Forschungsunternehmen, das sich auf den Kernbrennstoffkreislauf konzentriert.

Für Cameco besteht das größte Risiko darin, dass die Ukraine, deren Stromnetz und Wärmekraftwerke seit der Invasion militärische Ziele sind, weniger Uran benötigen könnte, falls Russland mehr Reaktoren kapert oder beschädigt.

Cameco müsste dann "ein Zuhause für dieses bereits unter Vertrag genommene Material finden", so Carter.

"Wir haben eine gute Sichtbarkeit und Vorankündigung bezüglich der jährlichen Mengen, die im Rahmen des Vertrages benötigt werden, was uns die Flexibilität gibt, unsere Pläne anzupassen, einschließlich der Produktion, wenn die Umstände es erfordern", sagte Veronica Baker, Sprecherin von Cameco, in einer Erklärung und lehnte es ab, die Vertragsbedingungen zu bestätigen.

RABATTE ODER PREISSPITZEN?

Die kurzfristige Suche nach neuen Käufern könnte kostspielig sein.
Die vertraglich vereinbarten Uranpreise sind in der Regel höher als die Spotpreise. Das bedeutet, dass Cameco einen Preisnachlass in Kauf nehmen könnte, wenn die Ukraine aufgrund der Auswirkungen des Krieges weniger Uran kauft, so Carter.

Sollten die Preise in den nächsten 12 Jahren jedoch in die Höhe schnellen, könnte Cameco nicht in der Lage sein, mit einem so hohen Anteil der Produktion für die Ukraine vollständig zu profitieren, es sei denn, das Unternehmen reduziert diese Verkäufe, so Carter weiter. Er erwartet, dass die Preise in den nächsten zwei Jahren weiter steigen werden.

"Ich denke, dass Cameco hier mehr zu verlieren hat als die Ukrainer, wenn der (Markt-)Preis weiter steigen sollte", sagte Carter.

Kotin sagte, dass Energoatom das Uran von Cameco zu einem Preis kaufen wird, der zu gleichen Teilen auf einem Festpreis und einem Marktpreis basiert. Eine solche Vereinbarung schützt Energoatom teilweise vor Preisspitzen.

Baker sagte, es sei normal, dass Verkäufer und Käufer ein Risiko aufgrund von Preisschwankungen bei Rohstoffen eingehen.

Das Risiko für Energoatom besteht darin, dass Cameco sich entscheidet, weniger Uran zu verkaufen, so dass der Bergbaukonzern von höheren Preisen an anderer Stelle profitieren kann, aber das scheint unwahrscheinlich, so Carter.

Die wichtigste Alternative zu Cameco, das französische Staatsunternehmen Orano, hat Energoatom mitgeteilt, dass es bis 2030 kein weiteres Uran liefern kann, so Kotin. Orano lehnte eine Stellungnahme ab.

Um sich gegen das Risiko abzusichern, sich so sehr auf einen einzigen Lieferanten zu verlassen, versucht die Ukraine, ihre heimische Atomindustrie auszubauen, sagte Kotin.

GROSSE POTENZIELLE BELOHNUNGEN

Während die Ukraine bei der Uranversorgung auf Cameco angewiesen ist, hat sie separate Verträge für die Weiterverarbeitung abgeschlossen.

Sie hat einen Vertrag mit der britischen Urenco Group geschlossen, um das Uran von Cameco anzureichern, und mit dem amerikanischen Unternehmen Westinghouse, um das angereicherte Uran zu Reaktorbrennstoff zu verarbeiten. Solche Vereinbarungen können den Energiebedarf der Ukraine sichern, egal wie lange der Krieg dauert.

Andere Länder, darunter Polen und die Tschechische Republik, wollen sich ebenfalls stärker auf Reaktoren und Brennstoffe aus westlicher Produktion verlassen, so Carter.

"Es gibt ein großes Interesse vieler Nationen und Versorgungsunternehmen, die ihren zukünftigen Energiebedarf neu ausrichten wollen, auch in Osteuropa", sagte Baker von Cameco.

Im April unterzeichnete Cameco einen 10-Jahres-Vertrag mit Westinghouse - dem Nuklearservice-Unternehmen, das Cameco und Brookfield Renewable Partners gerade kaufen - über die Lieferung von UF6 für das einzige bulgarische Kernkraftwerk.

Der kanadische Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, sagte, dass Kanada weltweit eine "große Rolle" zu spielen habe. Ohne Namen zu nennen, sagte er, er habe mit europäischen Ländern gesprochen, die sich von russischen Reaktoren und Brennstoffen abwenden wollen.

"Wir haben Uran im Überfluss", sagte Wilkinson.

© MarketScreener mit Reuters 2023