Auch mich hat es brennend interessiert, ob wir uns einem Inflationsszenario oder einem Deflationszenario nähern.
Nach fast einem halben Jahr Überlegung und dem Wälzen diverser Bücher folgendes:
Nach der Kreditblase wäre jetzt eigentlich ein Deflationszenario das wahrscheinlichste.
Nachdem 10 Jahre lang Geld massiv fehlallokiert wurde, „will“ es nun nach Hause, d.h. es muß erstmal eine Weile gehortet werden – oder nur gegen sehr hohe Zinsen ausgeliehen werden.
So hätte es sich vor 100 Jahren abgespielt.
Alle quasi natürlichen Kräfte der Wirtschaft spielen dieses Deflationszenario: die Riskioaversion nimmt zu, Kreditklemme, 70% Rabatt bei Praktiker Baumarkt, sinkende Preise für Autos und Lebensmittel.
ABER: die Notenbanken stemmen sich diesem Szenario entgegen und drucken gewaltige mengen Geld: TARP Programm, Liquiditität a 1 % Zinsen direkt von der EZB,
102 Milliarden Staatsanleihen der USA monatlich.
(der Vize der FED in der Senatsanhörung zu TARP: „the Money we have spent… sorry, the money we have lent….): kein Mensch plant ernsthaft, dass TARP Geld zeitnah zurückzuholen, de facto wirkt es inflationierend.
Normalerweise würde es derzeit eine „Flucht ins geld“ geben. Deflation.
Da aber gleichzeitig das Geld durch die Notenbanken devaluiert wird,
sucht das Geld zunehmen Ersatzgeld: Öl, Rohstoffe, Gold, Silber, Rohstoffaktien, stabile Währungen wie Schweizer Franken, Australischer Dollar.
Die Entscheidungen der Marktteilnehmer erfolgen sukzessive: zuerst folgen sie ihrem natürlichen Instinkt, aus allen krediten rauszukommen und ins geld zu gehen. (Davon profitieren zwischenzeitlich die Staatsanleihen.)
Danach erfolgt das Nachdenken, dass das geld heute gar kein Geld mehr ist, und die Flucht in Öl, Gold und australische Dollar setzt ein.
Ich weis nicht, ob meine Theorie stimmt, aber die erklärt:
- das zwischenzeitliche Haussieren der Staatsanleihen
- das Haussieren der Rohstoffwerte
- den nicht-gerechtfertigten Anstieg von Öl, obwohl alle Lager voll sind (besser Öl, egal zu welchem Preis als Papierdollars)
- Da Gold und wohl auch Silber im Preis gedrückt werden bzw. vom Gros der Marktteilnehmer noch nicht als Geld erkannt wurden, sind hier die Anstiege noch maßvoll
Meine Schlussfolgerungen:
Nach den Exzessen der Kreditblasen müsste es jetzt eine schmerzhafte aber heilsame Deflation geben. Viele Menschen würden ihre Arbeit verlieren, aber Dank ihrer Ersparnisse und einer stabilen Währung und sinkender Preise und handlungsfähiger Staaten, die minimale Wohlfahrtsprogramme fahren könnten wäre das kein Worst Case Szenario geworden.
Das Bekämpfen der natürlichen Deflation mit neuen Mengen gedruckten Geldes kann m.E. jederzeit in eine Katastrophe führen. Das ist, als ob man einem fieberkranken Menschen statt eines Fiebersenkenden Mittels Adrenalin injiziert.
Das ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang.
EZB Präsident Trichet, letzte Woche bei der Pressekonferenz in Madrid : "we are in uncharted waters - wir befinden uns in unkartographierten Gewässern".
(die einzige deutsche Zeitung, die das zitiert hat, war die FAZ).
Normalerweise würde bei einer Deflation nur die Wirtschaft zusammenbrechen.
Da die Staaten Verbindlichkeiten übernommen haben, die sie nicht schultern können und die Notenbanken Geld drucken, kann es nun jederzeit zu einem Triple Crash kommen:
Zusammenbruch der Wirtschaft, UND der Währungen UND der Staaten.
Ansatzweise hat man das in Island gesehen, wo die Wirtschaft UND die Währung zusammengebrochen sind und der Staat so große Garantien übernommen hat,
dass er derzeit nur durch ein Bailout anderer Staaten vor dem Zusammenbruch gerettet wurde.
Eigentlich bin ich Optimist, aber wenn man 1 und 1 zusammenzählt, kommt leider so ein Szenario raus.
Die Verteilung der Reichtümer impliziert ebenfalls eine instabile Gemengelage.
So lag vor der Depression von 1929 in den USA in den Händen von 5% der reichsten Amerikaner etwa 33% der Geldwerte, Firmen und Vermögensanlagen.
(Zinseszins effekt, Kapitalzusammenballung durch Zinseszins)
Nach depression der 30er Jahre, Aktiencrash, 2. Weltkrieg und Wirtschaftswachstum und steigenden Gehältern in den 40ern besaßen um 1950 die reichsten 5% nur noch 11% der Geldwerte, Firmen und Vermögensanlagen. (John Galbraith, Der Grosse Crash 1929: Ursachen, Verlauf).
Heute ist es wieder so, dass den reichsten Amerikaner 5% wieder ein Drittel der Gelder, Firmen und Vermögensanlagen gehören.
Da zinsbasierte System instabil sind, wäre derzeit eine große Kontraktion überfällig, die mit einer Vernichtung spekulativer Werte ( CDS (Credit Default Swaps), Kreditkartenschulden, Subprime kredite etc) einhergehen müsste.
Ein Weiterexistieren des Kartenhauses bei der derzeitigen instabilen Gemengelage ist eher zufällig. Ein Zusammenbruch ist bei den bestehenden Risiken eigentlich eher wahrscheinlich.
Daily Business:
Inflation und Deflation: wir sehen derzeit Auswirkungen von beiden tendenzen: alles, was man nicht braucht, wird billiger werden: Laptops, Autos, Hollywoodschaukeln, Parketfließen.
Alles, was man braucht, wird teurer werden: Öl, Gas, Strom, Lebensmittel.
Manches, was wir sehen, ist die natürliche heilung der Wirtschaft, the cure: Deflation, Kreditklemme, Kontraktion, Risikoaversion. Manches, was wir sehen, ist die Inflation, die Adrenalinspritze der Notenbanker und Staaten: steigende Benzinpreise heute, devaluierende Währungen morgen.
Ich vermute, dass Edelmetalle langfristig ein wichtiges Zahlungsmittel werden, vor allem international beim Handel mit Partnern niedriger Bonität aus Schwachwährungsländern (wahrscheinlich wird auch Deutschland bis zu einer Währungsreform zwischnzeitlich ein Schwachwährungsland werden)
Die Kaufkraftsteigerungen von EM können langfristig extrem sein.
aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass in der Mitte eines Triple Crash es deutlich besser ist, einen eigenen Garten mit Kartoffeln und eine Solaranlage auf dem Dach zu haben.
Um unsere schöne deutsche Sprache zu Benutzen: falls die skizzierten Risiken eintreten,
dann "ist ein Schrebergarten Gold wert" und dann geht es "wirklich ans Eingemachte".
EM ist gut, aber es gibt viele Dinge aus der Zeit unserer Großeltern, die bals wieder "Gold wert" sein könnten: Eingemachtes und Schrebergärten.