Von der Wortbedeutung her meint Pflicht Pflege oder Dienst. In der traditionellen Philosophie bedeutet der Begriff der Pflicht die Erfahrung im Gewissen, etwas ohne äußere Beeinflussung (sei es Zwang oder Belohnung) als im Grunde unvermeidlich tun oder lassen zu müssen. Kant hat Pflicht in Gegensatz zur Neigung gestellt, das tugendhafte Handeln also auf das pflichtgemäße Handeln beschränkt - aber schon Schiller kritisierte diese abstrakte Trennung mit dem Vers: "Gerne liebt' ich den Freund, doch tu ich' s mit Neigung; und so wurmt es mich, daß ich nicht tugendhaft bin."
Die moralphilosophische Bedeutung hat also erst mal nichts mit Führerscheinpflicht oder Steuerpflicht oder Maskenpflicht zu tun. Moralphilosophisch beschreibt Pflicht den Nichtgegensatz von Freiheit und Notwendigkeit: ich verwirkliche meine Freiheit darin, das zu tun oder zu lassen, was ich im Anruf meines Gewissens als geboten erfahre. Wenn ich an einem See vorbeigehe und zufällig ein Kind sehe, das zu ertrinken droht, dann ist dessen Rettung meine Pflicht und darin nicht Einschränkung meiner Freiheit, meinen Spaziergang fortsetzen zu wollen.
Ist Pflicht per se was, wenn ich es nicht mache, dass es unter Strafe (Freiheits-Geldstrafe) gestellt ist?
Ab wann kann man von Pflicht sprechen?
Wie seht ihr das?
Ich bin nicht ganz sicher, worauf Deine Frage genau zielt. Geht es darum, allgemein und grundsätzlich zu klären, was der Begriff der Pflicht innerhalb der Rechtsordnung bedeutet? Für konkrete Fallberatung müsste man einen Fachanwalt fragen.
In der Tat spielt der Begriff der moralischen Pflicht als Korrelat zum Recht auch eine bedeutsame Rolle in der Rechtsphilosophie. Zumindest der Idee nach tendiert eine Rechtsordnung zur Verwirklichung von Gerechtigkeit. Erst die Übereinstimmung des Rechts mit der sittlichen Ordnung verleiht dem Recht seine verpflichtende Kraft. Wäre dem nicht so, würde man den Zusammenhang von Moral/Innerlichkeit/Pflicht und Recht fallenlassen, dann läge keine Rechtsordnung vor, sd. eine reine Machtordnung, die mit Zwangsmitteln zur Durchsetzung des positiven Rechts ausgestattet ist.
Ich glaube, im Grunde liegt der von Dir diskutierten Problematik die Grundlegungsproblematik einer Rechtsordnung als solcher vor. Ist eine Rechtsordnung auf Gerechtigkeit verpflichtet (Naturrecht), oder gründet die Gültigkeit einer Rechtsordnung auf dem positiven, gesetztem Recht, d.h. auf der ordnungsgemäßen Setzung durch den jeweils autorisierten Gesetzgeber (Rechtspositivismus)? Garantiert das Recht den Raum für die Entfaltung der Freiheit des Einzelnen in Gemeinschaft (Deine Position) oder ist Recht nur ein anderer Begriff für Macht/das Recht des Stärkeren/Recht ist, was (dem Staat) nützt (vermutlich die Position Deiner Gesprächspartner)?
Man könnte Deine Schlußfrage umwandeln: wann wird Ungehorsam zur Pflicht, weil das Recht zum Unrecht geworden ist? Historisch wurde präzise diese Problematik nach dem 2. WK in der Rechtsphilosophie durch Gustav Radbruch verhandelt. Ich zitiere der Einfachheit halber den Inhalt der sog. Radbruchschen Formel aus der dt. Wikipedia:
"Dieser These zufolge hat sich ein Richter bei einem Konflikt zwischen dem positiven (gesetzten) Recht und der Gerechtigkeit immer dann – und nur dann – gegen das Gesetz und stattdessen für die materielle Gerechtigkeit zu entscheiden, wenn das fragliche Gesetz
- als „unerträglich ungerecht“ anzusehen ist oder
- das Gesetz die im Begriff des Rechts grundsätzlich angelegte Gleichheit aller Menschen aus Sicht des Interpreten „bewusst verleugnet“.
Tja, einer meiner Lehrer würde jetzt sagen: der Vorhang zu und alle Fragen offen. Aber vlt. haben sich die Fragen ein wenig verändert und man selbst sich dadurch mit